Unser Körper ist ein mehrdimensionales Netzwerk. Tatsächlich berühren sich unsere Knochen nicht, sondern sind in die langen Verbindungen von Muskeln und faszialen Gewebestrukturen (Knorpel, Sehnen, Bänder und Kapseln) integriert. Sie alle zusammen bilden ein dynamisches Spannungsnetzwerk, welches bei jeder unserer Bewegungen zusammenarbeitet. Klassisch heißt es in den chinesischen Bewegungs- und Kampfkünsten: „ein Teil bewegt sich, alle Teile bewegen sich“, was zumeist als Gleichnis für eine Ganzkörperbewegung herangezogen wird.
Es ergibt sich also ein Bild eines sehr fein abgestimmten Netzwerkes, welches einen Zusammenhalt (Struktur) gewährleistet und sich über An- und Entspannen in steter Reaktion/Anpassung auf Impulse befindet. Einfaches Verordnen von „Bewegung“ oder „Erholung“ würde als Möglichkeit zur bewussten Veränderung zu kurz greifen, denn es berücksichtigt nicht ausreichend die strukturellen Aspekte unserer Körpers und deren Wichtigkeit für unsere Gesundheit.
Circa 200 Knochen bilden unser Skelett. Sie sind die dichteste Materie des Körpers und das tragende Element. Sie sind, vereinfacht ausgedrückt, unser Stützapparat und werden durch die Skelettmuskeln bewegt. Bewegung unseres Skelettsystems wird biomechanisch durch unsere Gelenke ermöglicht, wobei diese durch Bänder gefestigt und gesichert werden. Sehnen dienen als Kraftüberträger; sie sind auf der einen Seite am Knochen angewachsen und auf der anderen Seite im Muskel verankert.
Unser Körper besitzt etwa 650 Muskeln, die sich in zwei Gruppen unterteilen. Die glatte Muskulatur wird vom vegetativen Nervensystem gesteuert; Beispiele hierfür sind unsere Herz-, Lungen- und Darmmuskulatur. Die zweite Gruppe sind unsere Skelettmuskeln, die unsere Beweglichkeit gewährleisten und die wir hierzu auch bewusst ansteuern können. Für die Stabilität und Aufrichtung an sich sind dabei vor allem die sogenannten Faszien* verantwortlich, welche die Muskeln umhüllen und unseren Körper durchziehen.
Das Wort Fascia (lat.) an sich bedeutet „Bündel" – hier entsteht schnell ein falsches Bild, denn tatsächlich sind die Faszien kein Bündel sondern eher ein mehr oder weniger elastisches Netzwerk von Fasern im gesamten Körper**. Sie bestehen hauptsächlich aus Proteinen (im Wesentlichen Kollagene und Elastin) sowie Wasser. Es gibt verschiedene Typen von Faszien die vier essentielle Funktionen gemeinsam haben:
- Formen: Stützen, umhüllen, polstern und schützen
- Bewegen: Kraft übertragen und speichern, Spannung halten und dehnen
- Versorgen: Flüssigkeit transportieren und Nahrung zuführen
- Kommunizieren: Reize wie auch Informationen empfangen und weiterleiten.
Gerade der letzte Punkt ist zunehmend in Wissenschaften wie auch Körper-Therapien von großer Bedeutung: Die Propriozeptoren („Tiefensensoren"), welche unser Gehirn ständig über Stellung, Spannkraft sowie Bewegung unserer Körperteile informieren, befinden sich in sehr großer Anzahl in den Faszien***. Sind die Faszien nun verklebt, verfilzt oder verhärtet, ist dieser Informationsaustausch und damit die Möglichkeit zu einer angemessenen Bewegungsausführung eingeschränkt. Die propriozeptive Wahrnehmung kann sogar so weit eingeschränkt sein, dass „Fehlinformationen“ über die aktuelle Haltung erzeugt werden - eine Haltungskorrektur und damit verbundene Gesundung kann dann kaum umgesetzt werden. Hier ist es im Vorfeld dazu notwendig, die Spannungen in den Faszien zu lösen und diese Gewebestrukturen positiv zu verändern, um Zugang zu einer „verbesserten“ Wahrnehmung zu schaffen/zu erleichtern.
Waren Schwerpunkte der Bewegungs- und Trainingslehre sowie der Sportwissenschaft seit Jahrzehnten Kraft, Ausdauer und Koordination und zielten auf Muskeln, Kreislauf und neuronale Steuerung, setzt sich in den letzten Jahren immer mehr durch, dass unseren Faszien eine Schlüsselrolle für Vitalität und (schmerz)freie Bewegung zukommt. Denn was für die Muskulatur galt und gilt, gilt nach neuen Erkenntnissen auch für die Faszien: Analog einer Muskelverspannung führen Verspannungen der Faszien – nämlich eben Verklebungen, Verhärtungen, Verfilzungen in einem Spannungsnetzwerk! - häufig zu Beschwerden und Schmerzen. Im Positiven wiederum können die Faszien, entsprechend trainiert und gepflegt, geschmeidig sein und sorgen dann für reibungslose Bewegungsabläufe in Harmonie von Schwerkraft und Körper.
* https://de.wikipedia.org/wiki/Faszie
** Tensegrity: Aus dem englischen zusammengesetzt aus tension (Spannung) und integrity (Zusammenhalt); ein Begriff aus der Architektur, der Objekte beschreibt, dessen einzelne feste Elemente sich untereinander nicht berühren, sondern über Zugelement miteinander verbunden sind. Mehr dazu: https://www.physiotherapeuten.de/das-tensegrity-modell-ein-neues-bild-vom-koerper/
*** Wie auch in Muskel und Sehnen. Nach neuesten Untersuchungen liefern Faszien sechsmal so viele Informationen wie die Muskeln.